Rev. Horst & Mrs. Leni Gerber Lutheran Church College Banz P.O. Box 72, Mt. Hagen, WHP Papua New Guinea
Banz, 26.02. 2012
Liebe Kinder und Enkel, Verwandte, Bekannte und Freunde,
Der Streit zwischen den beiden „Regierungslagern" geht weiter, aber das ist inzwischen normal. Nun ruhen alle Hoffnungen auf den vorgesehenen Wahlen im Juni. Dabei halten sich hartnäckig die Zweifel, ob sie überhaupt ordnungsgemäß durchgeführt werden können, weil die sogenannten revidierten Wahllisten offensichtlich nicht den gegenwärtigen aktuellen Stand der Wahlberechtigten wiederspiegeln. Diese Woche hat der augenblickliche Regierungschef, O'Neill die Volkszählung des vergangenen Jahres als K 658 Millionen Flop bezeichnet. Doch irgendeine Wahl ist besser als der jetzige Zustand!
Dabei geraten die wirklich wichtigen sozialpolitischen Veränderungen zum Zankapfel einer Gesellschaft, die ihrer eigenen politischen Kaste weder vertraut noch etwas zutraut. Die geltende Schulgeldfreiheit führt weitgehend nicht zur entscheidenden Entlastung für Eltern und Schüler/Studenten, sondern zu neu erfundenen Abgaben, wie erhöhte Anmeldegebühren, undurchsichtige Kosten für Unterrichtsmaterial, Betreuung oder Bauvorhaben der Institutionen etc. In der ebenfalls kostenlos gewordenen Gesundheitsversorgung merkt das betroffene Volk bisher auch nichts von besserer Versorgung mit Personal, Pflege oder Medikamenten etc. Vielfach ist es bei Versprechungen geblieben. Die fälligen Zahlungen und Zuwendungen in diesen beiden Bereichen kommen jedenfalls in den meisten Fällen nicht an. Das führt natürlich in einer Situation, wo man sonst nur noch in Millionen- und Milliardenerlösen aus der Rohstoffindustrie schwelgt, zu unglaublicher Resignation und Frustration. Mit anderen Worten zu einer hochexplosiven Situation. Sie erscheint deshalb so unwirklich, weil die Menschen draußen im Land, abseits der Hauptstadt und besonders hier im Hochland scheinbar unberührt von dem allen ihrem täglichen Leben nachgehen, als ob sie von diesen Entwicklungen und Stimmungen nicht erschüttert werden könnten. Doch das täuscht! Andererseits gibt uns diese alltägliche Normalität die Möglichkeit auch ganz einfach unsren normalen Aufgaben nachzugehen und sie auch in gewisser Weise sorglos und sogar fröhlich zu tun und dabei zufrieden zu sein.
Seit unserem letzten Brief vor einem Monat hat sich hier allerlei getan. Das Entscheidendste: das Unterrichtjahr hat begonnen. Inzwischen sind wir bereits voll im Betrieb. Zwar stotterte der Anlauf auch hier für fast eine ganze Woche, doch seit Montag, 13. Februar läuft der Unterricht nach Stundenplan, wenn auch noch mit einigen Ausfällen. Das ist aber im Wesentlichen auf Auseinandersetzungen um die Position des „Dean of Studies" zurückzuführen. Damit haben wir einen verhältnismäßig guten Start hingelegt. Nicht wenige Institutionen. haben erst jetzt begonnen zu unterrichten und eine ganze Reihe haben noch gar nicht angefangen.
Jetzt nach der dritten Unterrichtwoche ist die Registrierung der Studierenden offiziell abgeschlossen. Die Neuaufnahmen in der 1. Klasse liegen bei über 40 jungen Frauen und Männern. Ich habe insgesamt 8 Wochenstunden zu halten: Einführung ins Alte und Neue Testament, Allgemeine Kirchengeschichte in der 1. Klasse und Weltreligionen in der 3. Klasse. Dadurch hat sich mein Arbeitsrhythmus wesentlich verändert. Gott sei Dank liegen meine Stunden alle am Tagesanfang, sodass ich danach wieder meine Aufmerksamkeit wesentlich der Projektbetreuung zuwenden kann. Aber es ist schon eine erhebliche Einschränkung. Doch der Unterricht schafft einfach die persönliche Nähe zu den Studierenden und im Lehrerkollegium und das ist mir wichtig und macht in der Regel auch Spaß. Leni ist seither neben ihrer Projektgruppe mit den Studentenfrauen: Paramentiken, Stolen und Talare - übrigens sind die ersten Talare und Stolen schon verkauft -, auch noch mit den Studierendengruppen für Frauenarbeit im normalen Unterrichtsbetriebes des Colleges mehr als ausgelastet. Da sind wir wirklich froh unsere bewährte Haushaltskraft, die Domape zu haben, die uns zweimal in der Woche nicht nur alle Hausarbeiten abnimmt, sondern ein reichhaltiges Neuguinea-Essen auf den Tisch stellt. Aber wir kommen auch so gut zurecht. Und die meisten Abende und die Wochenenden halten wir uns frei.
Seit 10.02. haben wir unseren Kleinlastwagen wieder auf der Straße, was unsere Projektarbeit an der Kapelle und den Farmhäusern der Studenten sehr erleichtert. Aber um ehrlich zu sein, das Fahrzeug ist in einem schlechten Zustand, auch wenn es inzwischen den hiesigen TÜV bekommen hat und die Registrierung für das laufende Jahr - Gefälligkeitsleistungen nach dem Motto: Wir sind auch gute Lutheraner. Aber was bedeutet das schon, wenn die gesamte Elektronik nicht mehr arbeitet, die Fahrertüre nicht dicht ist, das Fenster sich nicht anheben lässt, die Frontscheibe mit vielen Sprüngen durchzogen, der Radio geklaut und die Innenverkleidung abenteuerlich zusammengeflickt ist und vor allem der Wagenheber fehlt. Nach unseren Standards eine Schrottkiste. Dennoch sind wir glücklich sie zu haben. Und wenn wir dann erleben können wie die Kapelle sich auswächst, dann kann man sogar etwas versöhnt sein. Die Betonarbeiten am Boden sind längst abgeschlossen, auch die Altarplatte ist gelegt. Augenblicklich werden die vorgearbeiteten Wandelemente eingebaut. Vergangenen Mittwoch waren wir im Südlichen Hochland, im Jalibugebiet und haben eine volle Lastwagenladung geflochtene flexible Bambusmatten eingekauft, womit die Außenwände der Kapelle verkleidet werden. Langsam aber sicher wird Samson, unser Maler auch mit dem Streichen des Wellblechdaches fertig.
Morgen in einer Woche müssen wir wieder nach Cairns in Australien fliegen, um unsere Visas zu verlängern. Dann ist Halbzeit und danach beginnt unsere Zeit hier allmählich wieder auszulaufen. Ostern und damit die ersten Termferien sind dann auch nicht mehr weit. Aber soweit fällt es uns noch schwer vorauszudenken. Denn noch soviel sollte getan werden. Und wir werden wieder nicht alles schaffen, was wir uns vorgenommen haben. Andererseits sind wir schon jetzt wieder ein gutes Stück vorangekommen. Wir dürfen ja nicht nur die sichtbaren und materiellen Leistungen oder Ergebnisse sehen. Mindestens so wichtig erscheint uns, dass wir regelmäßig da sind und mit den Arbeitern, Lehrern und Studenten ein Stück weit leben und vertraut miteinander werden.
Wir sind schon gespannt, was wir in den nächsten Wochen erleben werden?
Viele liebe Grüße,
Horst und Leni