Rede von Pfarrer Jan Peter Hanstein in der Vernissage LISELOTTE VON CRAILSHEIM

Liebe Gäste, liebe Freunde von LvC aus Nah und Fern.


Ich begrüße Sie zu unserer Ausstellung.
Sie ist außergewöhnlich, weil Sie viele Bilder zum ersten Mal und vielleicht letzten Mal sehen können.
Ich habe gemerkt, wie schwer es manchen fiel, ihre Bilder auszuleihen.
Einer sagte: „Jetzt ist das Haus ganz leer.“
Aber alle waren stolz auf ihre Bilder und freuen sich, dass nun auch andere sie bewundern können. Vielen herzlichen Dank allen Leihgebern, die diese Ausstellung möglich gemacht haben!
Viele von Ihnen kannten unsere im letzten Jahr verstorbene Liselotte und ich war immer wieder erstaunt, welch gute Beziehung sie zu völlig unterschiedlichen Menschen aufbauen konnte.
Manche sagten: Liselotte war so und andere: nein, so und so…
Einig waren sie sich aber darin: Sie konnte einzigartig sie selbst sein und sich deshalb gleichzeitig auf andere einstellen, zuhören und oft Erstaunliches bemerken. Sie sah schnell sehr tief. Konnte intensiv und distanziert zugleich sein.

So haben wir die Bilder auch gehängt. Die Bilder reden miteinander wie ihre Besitzer im Einklang oder auch Widerspruch. Auch die Räume sind wichtig und hatten ein Wort mit zu reden durch Proportionen, Wege und Ausstattung. Welche Geschichte verbergen sich in diesem alten Schloss bis in unserer Zeit!
In dieser Ausstellung können Sie Liselotte neu entdecken oder auch ganz anders.
Entdecken Sie die andere Liselotte von Crailsheim!

Wenn Sie die Jahreszahlen vergleichen, merken Sie, dass Liselotte zugleich ganz ausgelassene Bilder zB für Familienereignisse malen konnte und trotzdem dramatische tief berührende wichtige Werke schuf.

Warum eine Ausstellung anlässlich der ökumenischen Nacht der Kirchen?

Die Ausstellung, ein Überblick über die Vielfalt und Weite ihres Schaffens, ist als Hommage konzipiert. Wir machen diese Ausstellung auch gerade jetzt, weil wir uns nicht mehr von ihr verabschieden konnten, weil sie in ihrem Heimatort Bielefeld beigesetzt wurde. So möchten wir Ihrer auch in Rödelsee und Fröhstockheim gedenken und auch des Eindrucks, den sie hinterlassen hat. Eine Art Bilanz, aber auch eine Form der Dankbarkeit für das, was sie dem Ort hier gegeben hat.

Deshalb gibt es auch einen Raum mit Aufmerksamkeiten von ihr für Freunde und Verwandte, den wir eingerichtet haben.

Aber das ist nur eine Seite. Die andere ist noch tiefer.
Als Pfarrer bin ich begeistert, wie LvC mit Worten und religiösen Symbolen gearbeitet hat aus einem tiefen persönlichen Glauben heraus. Bei ihr war Wort und Bild kein Widerspruch - die Farben bildeten Klänge und Musik wird bei ihr in Farben übersetzt. Ich bin kein Kunstgeschichtler – aber ich finde ihre Bilder weit herausragend aus irgendeiner Mode oder einem Stil.
Sie hat immer wieder neu angesetzt, tiefer ihre große Erfahrung eingesetzt und bis zuletzt aus innerer Notwendigkeit heraus gemalt und sich abgekämpft mit großen Erwartungen von ihr selbst – und hat ihre Leichtigkeit gewonnen, wenn sie plötzlich merkte, dass sie nun „hindurch“ war. Das jetzt das Bild so ist, wie es immer gewesen ist und schon immer sein sollte. Oft war da aus ihrer Sicht Scheitern – aber lassen Sie mich sie selbst zitieren:

Verzicht

Hart erkämpft
reich belohnt
wieder und wieder versucht
allzu oft gescheitert
Liebevoll aufgefangen von IHM

Zuerst die Angst
etwas herzugeben
von sich
Dann
die wundervolle Erkenntnis
dass man durch den Verzicht
eintaucht in eine nie geahnte
Leichtigkeit.
Gnade


LvC, 14.6.1996

Als Theologe bewundere ich auch ihre sorgfältige Sprache – sie war sich ihrer Verantwortung als Meister, als Lehrerin und Mentorin bewusst.
Und sie drang tief ein in die Worte von Dichtern. Die Sprache der Bibel empfand sie genauso als tiefe Erfahrung und hohe Kunst.

Ein Beispiel möchte ich herausgreifen: die 10 Gebote – die viele irritiert haben in ihrem für LvC untypischen ein wenig schmutzigem Schwarzweiß.
Wir suchten den Zusammenhang, warum das Material, die Frottage, das Abpausen von Holzstrukturen, Jahresringe, die vielfältigen Brechungen und Risse.

Da legten wir die 10 Gebote auf den Boden legen und plötzlich erschien der Zusammenhang:
Wie oft werden sie mit Füßen getreten! im Zorn zerrissen, wie leidvoll ist die Geschichte der Übertretungen und der immer wieder neuen Buchstabierversuche – .
Jedes Gebot, das gebrochen wird, verletzt alle anderen mit. Wer die Ehe bricht, tötet! Wer nicht ruht, ist neidisch! Wie erhaben einerseits und wie verwundbar diese Forderungen Gottes – schauen Sie hin und entdecken Sie die verschiedenen Versionen, die sie zerrissen hat und neu zusammengesetzt – eine erschreckende, aber tief greifende Exegese einschließlich der Wirkungsgeschichte der 10 Gebote in ihrer Aussichtslosigkeit und gleichzeitigen Verheißung.

Ja – über fast jedes Bild könnte ich eine Predigt halten. Nicht nur über ihre kirchliche Kunst - soviel können wir sehen und von ihr lernen.
Sie kannte das „KREUZ DER WIRKLICHKEIT“, fand es überall und in unserer Zeit, die von Mensch zu Mensch eher horizontal angelegt ist, betonte sie auch die Vertikale, die Suche Gottes nach den Menschen und umgekehrt. Überall lässt sie das Licht und die Farben leuchten, manchmal aus ganz kleinen Stellen und dann wieder in großen Durchbrüchen öffnet sie Räume von ungeahnten Weiten.

Offene Türen, offene Kirchen, offene Herzen – darüber hätte sie sich vielleicht auch gefreut!

Entdecken Sie selbst diese ganz andere Liselotte, die die Wirklichkeit der Kunst nie artifiziell oder abbildend empfand, sondern wusste, dass ihr vielleicht ein ganz anderer Betrachter über die Schulter schaute …

So schauen Sie ihr über die Schulter. Ihr Werk ist abgeschlossen, unsere Betrachtungen noch lange nicht.
Vielleicht findet sich auch ein Kreis, der ihr Werk zusammenhalten und weitergeben will. Morgen um 11 Uhr versuchen wir es mal.

Nun bleibt mir nur noch zu danken:
Ihnen, die Sie gekommen sind, von Nah und fern, und keine Mühen gescheut haben.
Danke allen, die ihre Bilder auch kurzfristig ausgeliehen haben.
Danke der GWF für die großzügige Überlassung dieses wundervollen Schlosses, dem Kellermeister Olaf Stintzing und dem Tourismusverein mit Herrn Fuhrmann für die geduldige Begleitung.
Danke an beiden Mitstreiter: mein großer und großmütiger Freund Udo Kinner aus Neustadt an der Donau und Juliane von Crailsheim – ihrer Nichte, die sich ihrer großen Verantwortung bewusst hier wirklich Tag und Nacht für diese Ausstellung eingesetzt hat.
Ihr beide habt dieses Ereignis erst möglich gemacht.

Gott sprach: Es werde Licht.
Und Christus: Ich bin das Licht der Welt!
Und wir antworten: Ja Herr – in deinem Licht, da sehen wir das Licht. Ps 36

Ich wünsche Ihnen viele bereichernde Begegnungen in dieser wundervollen Nacht!