Geben und Nehmen - Mt 6,1-4 August 2013

Von gelingender und misslingender Frömmigkeit

 

 Jesus spricht: Mt 6

1 Gebt aber acht, eure Frömmigkeit nicht vor den Menschen zu üben, 
um von ihnen beachtet zu werden. 
Sonst habt ihr keinen Lohn bei eurem Vater in den Himmeln.

2 Wenn du also Wohltätigkeit übst, trompete es nicht vor dir her, 
wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, 
um von den Menschen gepriesen zu werden: 
Amen, ich sage euch: Sie haben schon ihren Lohn.

3 Du aber, wenn du Wohltätigkeit übst, 
soll deine Linke nicht wissen, was deine Rechte tut,

4 damit deine Wohltätigkeit im Verborgenen sei. 
Und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird dir vergelten.

5 Und wenn ihr betet, 
seid nicht wie die Heuchler: 
denn sie stehen gern in den Synagogen und an den Straßenecken
und beten, um vor den Menschen angesehen zu sein. 
Amen, ich sage euch: Sie haben schon ihren Lohn.

6 Du aber, wenn du betest, 
geh in deine Kammer und schließ die Tür zu 
um zu deinem Vater zu beten, der im Verborgenen ist. 
Und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird dir vergelten.

 

1) Die Rechte weiß nicht was die Linke tut

 

wenn du aber gibst, soll deine Linke nicht wissen, was deine Rechte tut,

Liebe Gemeinde,

ich liebe diese drastischen Wortbilder von Jesus.

Klingt auf den ersten Blick unmöglich - als gäbe es nicht ein zentrales Nervensystem, das Gehirn, das unsere Körperteile steuert, und jeden Moment wüsste, was jedes Körperteil tut.    

Und doch: da ist doch noch das unterbewusste, automatisierte Handeln und Bewegen. Autofahren zB. - wenn ich da jeden Moment bewusst nachvollziehen müsste, wie ich kupple, schalte, Gas gebe und lenke - da würde ich wieder vor Anstrengung einen roten Kopf bekommen wie ein Fahrschüler.

So du aber gibst - soll deine Linke nicht wissen, was deine Rechte tut,

Ich halte fest: so eingeübt, so selbstverständlich soll das Geben sein!

Beiläufig, ohne Aufheben, nicht auf mich bezogen.

Wir sollen das auch mit unseren Kindern einüben.

So bekamen wir selbstverständlich für jeden Kindergottesdienst unsere 1 mark, - Geben muss eingeübt werden wie Autofahren.

Und an Weihnachten an mein Vater die Brot für die Weltspende aufgeteilt: jedes Kind bekam 50 Mark in einen Umschlag ohne Namen. Und ich erinnere mich, das es mir schwer fiel, dieses viele Geld einfach in die Kollekte zu geben, aber auch den Stolz, das ich das durfte und schließlich auch konnte. Auch glücklicher. Wie es in Untersuchungen immer wieder  nachgewiesen wird:

 

DENN Geben ist seliger als nehmen...

Wer mehr gibt, wird glücklicher
Prof Dunn hatte Studenten etwas Geld gegeben und ihnen gesagt, wie sie es ausgeben sollten. Diejenigen, die es für andere ausgaben, fühlten sich danach glücklicher als jene, die es für sich selbst verbrauchten. Ähnlich erging es einer Gruppe von Angestellten, die von ihrer Firma einen unerwarteten Bonus erhielten. Das Glücksgefühl war umso größer je mehr Geld die Versuchspersonen abgaben. Es hing nicht mit der Höhe ihres Einkommens zusammen.

 

Beim Geben geht es nicht nur um unser Wohlbefinden, um unser gefühl oder unsere Gesundheit. Die Rechte soll nicht wissen was die linke tut.

 

Gott sei Dank gibt es sie – die Menschen, die „still“ ihr Gutes tun. Oft aus Dankbarkeit, selbst viel empfangen zu haben. Von der „Selbstverständlichkeit“ des Guten lebt die Gesellschaft, nicht von der inszenierten guten Tat als Sonderfall.
Ich glaube, dass bei vielen Christen so ein Geben selbstverständlich geworden ist und dass es gut ist, dass die Kirchengemeinde zwar über jede Gabe Rechenschaft ablegen muss, aber doch das Spendengeheimnis gewahrt bleiben muss.

Das ist gut so und darüber sind wir uns einig.

 

Und doch heißt es heute meistens:

Tue Gutes – und rede darüber. So raten es die Werbe-Experten. Unternehmen, Politiker – überhaupt alle, die Erfolg haben wollen, machen es so. Man lässt sich abbilden mit großformatigen Schecks, zeigt stolz die Bilanzen der Gutherzigkeit. Alle sollen wissen, wie gut man ist.

In Zeiten der Wahlen werden großzügig Wahlgeschenke verteilt, Milliarden - und jeder soll wissen, dass die momentane Regierung das tut - aber wir wissen auch, dass dieses Geld nicht den Regierenden gehört und oft genug geliehen ist ... und wir sind in diesem Fall die Empfänger: denn wir als Wählende werden besonders bedacht! Und wir sind gleichzeitig die Steuerzahler - eine seltsame Situation!! Wenn es da ein Politiker selbstherrlich übertreibt, kann es auch nach hinten losgehen!

 

Und unsere Kirche? Unsere Werke wie "Brot für die Welt", die vielen Organisationen und Initiativen? Soll da auch die Rechte nicht wissen, was die Linke tut? Wer ärgert sich nicht über die vielen Bettelbriefe, Journale, Plakate Handzettel mit Bildern, Geschichten usw?

Nein: Tue Gutes – und rede darüber. Gewiss: Es braucht Beispiele. Es braucht Geschichten, die Mut machen, Erfahrungen, die weitergegeben werden können.  Anders als in der Politik:

ZB "Brot für die Welt" gibt nichts aus sich selbst heraus. Sie haben sich zwischen Geber und Empfangenden gestellt. Sie sind sozusagen Vermittler. Sie stellen auch sicher, dass die Empfangenden durch die Geber nicht gedemütigt werden. Und so die rechte Hand nicht weiß, was die Linke tut. Sie handeln glaube ich durchaus im Sinne Jesu! Auch wenn manchmal und nach einiger Zeit, die Selbsterhaltung immer eine größere Rolle spielt. dann muss korrigiert werden. Das tat die Kirchenleitung, indem zB "Brot für die Welt" ein Werk der Diakonie mit dem 5x größeren aber unbekannteren EED Evangelischen Entwicklungsdienst fusioniert hat. 

 

Manchmal bin ich erstaunt, wie niedrig der Anteil von Spenden und Gaben im Vergleich zu unsere gesamten Volkswirtschaft ist. Er liegt unter 2%. Sie sind aber freiwillig! Bei der Gesamtkirche sind freiwillige Spenden und Gaben bei ca. 5%, aber im Haushalt für unsere kleine Kirchengemeinde sind es dann schon 50%! Freilich ohne den Anteil des Gehaltes für den Pfarrer, der aus Kirchensteuermitteln bestritten wird.

   

Aber genauer betrachtet, stellt sich die Situation des Almosen anders dar:

Es gibt die freiwillige Kirchensteuer und natürlich die Sozialabgaben, und die Steuern! Selbst die viel beschimpften römischen Kaiser haben wohl weniger als 20% den Menschen in der Antike weggenommen - wenn die Menschen zur Zeit Jesu eine Einkommenssteuererklärung wie wir heute hätten machen müssen, wäre wohl ein Aufstand losgebrochen...

Aber es ist gut, was gemacht wird mit dem Geld für unsere kranken, Alten, Familien mit Kindern, Behinderten und auch Flüchtlingen. Hier ist das Geben Gesetz und automatisiert weiß die Linke nicht, was die Rechte tut. und das macht die Christlichkeit unseres Staates aus. Auch wenn viele um die kulturellen Wurzeln dieser staatlich organisierten Barmherzigkeit nicht mehr wissen. Es ist gut, dass es Patronate nicht mehr geben muss, dass Almosen die Armen nicht mehr ärmer macht, wie es lange gewesen ist, sondern dass alle dieselben Grundrechte genießen und darauf verpflichtet sind in unserer Solidargemeinschaft.

 

3) Es gibt nicht gutes außer man tut es

In unserer Welt ist Spenden etwas Zusätzliches geworden.

Die inneren Beweggründe und wirklichen Motive derer, die etwas von sich hergeben, bleiben uns ja ohnehin verborgen. Wilhelm Busch sagt dazu: „Wie wolltest du dich unterwinden, / kurzweg die Menschen zu ergründen. /  Du kennst sie nur von außenwärts. / Du siehst die Weste, nicht das Herz.“

Von hier aus betrachtet bekommt die Pointe des Witzes einen ganz anderen Sinn:

Nach dem Gottesdienst treffen sich ein katholischer und evangelischer Pfarrer und ein jüdischer Rabbi und besprechen, wie sie es mit der Kollekte halten.

Sagt der evangelische Pastor: ich ziehe vor dem Altar einen Strich, werfe das Geld nach oben und was rechts des Kreises fällt, bekommt der liebe Gott und was links liegen bleibt, nehme ich.

Darauf sagt der katholische Pastor: Ich ziehe um mich einen kleinen Kreis, werfe auch das Geld hoch und was in den Kreis fällt gebe ich Gott und das andere behalte ich.

Darauf sagt der jüdische Rabbi. Ich werfe das Geld einfach hoch - was oben ist bekommt Gott und was runter fällt, behalte ich.

Der jüdische Rabbi hat den Sinn verstanden: Die eigentliche Gabe fällt immer von oben nach unten und wir sind die Beschenkten. Aus dem Gebenden wird der Nehmende. Das Almosen bekommt einen anderen Sinn, der uns entlastet. Aber am Ende gilt, was Mt 5,45 steht: „Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte." Amen.

 

Amen.