Ihr seid das Salz der Erde. Abschiedspredigt von Pfarrer Jan-Peter Hanstein in Rödelsee 2015

Liebe Gemeinde,

zum letzten Mal als Ortspfarrer bei euch predigen, was soll ich da sagen, was ich nicht schon gut 9 Jahre lange jeden Sonntag gepredigt habe?

Mein Freund Rudi sagt: „Mach es wie immer und es wird schon gut.“  Und so mache ich das jetzt auch. Nicht mein Vermächtnis, sondern die Zusammenfassung der Lehre Jesu weitergeben.

Hier und jetzt. So wie immer- 12-15 min.  Ihr könnt auf die Uhr schauen…

Ihr seid das Salz der Erde.

Ihr seid – angesprochen!

Nicht die da oben –

nicht ich hier auf der Kanzel – IHR und nur dann, wenn ich mich unter dieses Wort stelle - auch wir.

IHR – das sind diejenigen, die Jesus hören. Nicht als Juden oder Heiden, nicht als Evangelische, als Katholische, IHR seid es, die hören, was Jesus sagt und dann seid ihr es auch.

Und dadurch und nur durch das Hören seid ihr Christen und glaubt es.

Ihr seid  - das Salz der Erde.

Salz der Erde.

Der letzte Film von Wim Wenders – er lief auf dem 2013 auf dem Filmfest München, als ich Tabea für LOLA AUF DER ERBSE* begleitete. Ein Titel der Theologen wie mich natürlich neugierig macht. Salz der Erde.

Ein Film über einen Fotografen – er beginnt mit einer wahnwitzigen FOTOGRAFIE:

Bildrechte beim Autor
eine brasilianische Goldmine im Schlamm des Urwalds, 130 Meter tief. Hunderte von Menschen auf langen Holzleitern hinauf und hinunter klettern, springen, laufen, stehen. Man hört keinen mechanischen Ton, nur Gespräche, Rufe und das Stöhnen der Anstrengung wie jeder einen kleinen Sack von Erde hinaufschleppt. Das Erstaunliche: es sind keine Sklaven, sie arbeiten freiwillig. Keiner ist dem anderen untergeben. Es sind Arbeiter und Bauern, Akademiker, Junge und Greise. Jeder klettert bis zu 6-8 mal am Tag mit einem Sack Erde hinauf. Es sieht wahnsinnig gefährlich aus! In dem Sack könnte ein Nugget sein, ein Pfund Gold, oder auch meistens nichts. Sie sind angetrieben von der Sehnsucht reich zu werden und haben einen Eingang zur Hölle gegraben, eine tiefe Wunde in die Erde wie ein Schlund. Um dieses Loch herum in dieser Männerwelt eine brutale und gefährlicher Ring von Diebstahl, Betrug und Mord. Ein Foto - ein monströses Gleichnis unserer Sehnsucht, reich zu sein und damit wertvoll für andere zu werden.

Bildrechte beim Autor

WIM WENDERS SAGT dazu:

„Eine Fotografie, ein Fotograph – Phos das Licht, Graphein, schreiben – einer der mit Licht schreibt. Von dem, der das Foto gemacht hat, wusste ich zwei Dinge: er ist ein Abenteurer, aber er liebt auch die Menschen. Und das ist für mich wichtig. Denn schließlich sind sie das Salz der Erde.“

So beginnt sein Film über den Fotographen Sebastiao Salgado. Der die Menschen liebt.

Wim Wenders sagt das so selbstverständlich, wie nebenbei und deshalb umso eindrücklicher in seinem künstlerischen Bekenntnis, seinem Glauben: „Schließlich sind sie das Salz der Erde.“

Wer Salgados Fotos sieht, schmeckt das Salz. Es ist bitter. Das Salz der Erde, das Salz des Blutes in den Kriegsreportagen, das Salz des Schweißes in unmenschlicher Arbeit, das Salz der Tränen.

Das Salz in den Fotos Weiß – und schwarz. Nie farbig.

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn es nun dumm wird, womit sollte man salzen. Es wird weggeworfen und von den Füßen zertreten.

Salgado macht berühmt gewordene Bilder von Katastrophen: Menschen, die untergehen im Gewimmel und zertreten werden in Flucht und Panik, zermalmt werden von Panzern und zerrissen von Kugeln. Dürre und Hunger – alles möchte er sehen und er nimmt es in sich auf. 20 Jahre streift er ruhelos über die ganze Welt und macht Bilder.

Das Licht wird in seinen Schwarzweiß-Bildern immer dunkler. Er fotografiert die Flüchtenden, die Vertriebenen, die Männer, die an der Grenze Krajina aus den Autos gezogen werden und vor den Augen ihrer Kinder und Frauen erschossen wurden – und das war in Jugoslawien, keine 400km von der deutschen Grenze entfernt. Und immer wieder in Afrika: schließlich in Ruanda, die Zahlen des Elends werden immer größer die Flüchtlingslager immer gigantischer und schließlich wird der Film minutenlang schwarz. Kein Licht mehr. Nichts mehr zu schreiben. Salgado hat alles gesehen. Er ist krank an Körper und Seele. Er ist völlig am Ende und kann nicht mehr arbeiten. Er sagt:

„Das war meine letzte Reise, diese unglückselige Zeit in Ruanda.

Als ich dort wegging, glaubte ich an nichts mehr.

Nichts könnte die Menschheit retten, so etwas könnten wir nicht überleben.

Wir hatten es nicht verdient zu leben. Niemand!

Wie oft legte ich meine Kamera zu Boden, um zu weinen über das, was ich sah?“

In das Schwarz sagt Wim Wenders hinein:     

„Sebastiao hat in das Herz der Finsternis geblickt.“

 

2. Jesus sagt: Ihr seid das Licht der Welt. Man steckt das Licht nicht auf einen Leuchter und stülpt dann einen Eimer darüber. 

Jesus kennt diese Finsternis. Länger als drei Tage. Er ist das Licht der Welt. Und die Finsternis hat nicht zerstören können.

Und nun seid ihr das Licht -

Wenn wir das Licht sind, dann ist Gott der Fotograph. Mit uns schreibt er den Lauf der Welt. Licht sind wir und hinterlassen Spuren des Lichts, bis es hell wird.

Und deshalb lasst das Licht leuchten!

Mit Licht sehen wir. Ohne Licht ist alles schwarz.

Ohne Licht gibt es nichts.

Salgado kehrt krank und völlig erschöpft zu seiner Familie zurück. Er ist reich geworden mit seinen Bildern.

Aber er hat jeden Sinn im Leben verloren.

Seine Frau Lelia kehrt mit ihm auf die Farm in Brasilien zurück, an den Ort seiner Kindheit, an dem er Jahrzehnte nicht gewesen ist. Es hat sich alles verändert. Statt grünen Urwald und große Steppen für die Rinder erwarten ihn eine kahle lebensfeindliche Ödnis. Sogar die Bäche und Wasserfälle seiner Kindheit sind ausgetrocknet. Salgado ist nun erst recht absolut frustriert und traurig. Da hat seine unermüdliche Frau Lelia die Idee: 600 Hektar der Farm will sie mit hunderttausenden Bäumen neu aufforsten. Und Salgado macht mit. Reich genug  ist er geworden dafür. Er bezahlt Menschen, die mitarbeiten. Zuerst machen sie wieder frustrierende Erfahrungen. 80% der Setzlinge gehen ein. Dann 60, dann 40%.

Aber sie geben nicht auf. Sie forschen und schließlich gelingt es ihnen Methoden zu entwickeln, um 150 Arten von Regenwaldbäumen zu pflanzen.

Nicht weniger als ein Wunder. Sie können von ihren Erfahrungen sogar anderen etwas weitergeben. 

Salgado ist vollständig geheilt durch die neue Hoffnung.

Und nun überlegt er, wie er wieder fotografieren kann.

Seine Frau Lelia kommt auf die Idee: Nicht Zerstörung, Verschmutzung und Elend fotografieren, sondern Gottes unberührte Natur, die letzten Paradiese der Menschheit, zusammen mit den Menschen, die auf ihr ursprünglich leben.

Es entsteht das Projekt Genesis. Er arbeitet von 2004-2013 daran und nun sind es schon 13 Auflagen, der erfolgreichste Fotoband von Salgado überhaupt.

Jesus sagt: Ihr seid das Salz der Welt. Ihr macht den Unterschied.

Klar – Salz zu sein ist bitter. Wir weinen mit den Weinenden. Wir bringen ein die Saat der Tränen, die letzten Körner der Hoffnung. Der Geschmack des Salzes, scharf, bitter heilend. Geschmack des Blutes, des Schweißes und der Tränen – aber ist mehr als bei Churchill!

Wenn das Salz seinen Geschmack verliert … wird es dumm. Aber keine Angst! Niemals verliert Salz seinen Geschmack. Nicht in tausend Jahren. Es ist wohl das am längsten zu genießende Lebensmittel, wenn es rein ist. Salz steht im Alten Testament für die Ewigkeit – Gottes ewigen Bund, und deshalb wurde ich mit Salz und Brot begrüßt, deshalb streuen die Juden an jedem Vorabend des Sabbats Salz auf ihr Brot. Tränenbrot …

Ihr seid so ein Salz der Erde.

Ich weiß: an einem Weinort wie unseren so zu reden erscheint euch lächerlich. An so einem schönen Tag wie heute! Es geht uns doch gut! Das schlimmste was wir uns vorstellen können ist einen versalzene Brezel …

Vergleichen wir die Rede vom Salz mit dem guten Wein, den Jesus auch schätzt. Im Wein das sind wir nicht der  Zucker, oder die Öchsle  - bitte nicht – wir sind nicht der vergorene Zucker, der Alkohol –

Ich erinnere mich an unseren ökumenischen Kirchenwein – das sagten die Katholiken – das Saure darin ist der evangelische Anteil und die evangelischen – das bittere waren die Katholiken.

Aber sie hatten beide recht! Christen sind das Salz der Erde.

Auf den Wein bezogen -

Ihr seid das Mineralische, das Terrain, würde mein Freund Paul sagen.

Kaum nachzuweisende Spurenelemente – aber unverwechselbar.

Und diesen Geschmack habe ich bei euch gefunden. Unter dem Schwanberg.

Ja - Es ging mir gut bei euch! Es ging uns gut.

Und wir – meine Familie – ich! – wir haben uns aufgelöst bei euch. Wir sind nicht im Salzfass geblieben. Und nun schaut sie euch an – meine Kinder, meine Frau – wie die aufgelösten Salzkörner wieder zurückgewinnen?

Wie schwer ist, euch zu verlassen!

 

Ich werde ihn nicht verlieren. Ihr seid nicht lau – und deshalb behalte ich diesen Geschmack.

Tränen der Trauer und Tränen der Freude.  Seid ihr. 

Schließlich seid ihr das  Salz der Erde. Sagt Wim Wenders.

Und das Licht der Welt: von hier bis ans andere Ende der Welt seid ihr zu erkennen: als Leuchten in der Dunkelheit. Es kann die Stadt auf dem Berge nicht verborgen bleiben. Damit ist nicht nur der Leuchtturm Communität Casteller Ring auf dem Schwanberg gemeint. Auch ihr bleibt nicht verborgen. Macht die Fenster auf, lasst euer Licht leuchten.

Jesus sagt:

Ihr, die Gemeinde, seid kostbar wie die weißen Körnchen. Ihr seid eine Kraft, die reinigt, erhält und heiligt. Bleibt nicht im Salzfass, sondern geht hinaus, löst euch auf und entfaltet eure Wirkung, euren Geschmack.

Jesus sagt:

Ihr, meine Nachfolgerinnen und Nachfolger, habt Verantwortung für das, was in der Gemeinde und was in der Welt vor sich geht.

Ich traue Euch zu, Salz zu sein durch Euren Glauben an Gottes Gerechtigkeit und Liebe.

Ich traue Euch zu, dass Ihr den Aufgaben und Herausforderungen dieser Welt gewachsen seid.

Ich traue Euch zu, dass Ihr Menschen tröstet und ihnen zur Seite steht.

ich traue Euch zu, dass Ihr Unrecht beim Namen nennt und auf der Seite derer steht, die keine Stimme haben.

All das tut Ihr, weil ich Euch dazu Kraft und Phantasie schenke. Ihr seid Salz und Licht.

Aber Weiterleben ohne Salz und Licht – unmöglich.

AMEN

*Meine Tochter Tabea war die Hauptdarstellerin in diesem Familienfilm